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Leisen Schrittes schreite ich auf einem typischen Waldweg voran, mein Gewicht wird vom weichen Waldboden angenehm abgefedert. Ein feiner, sanfter Windhauch trägt mir die Geräusche der Waldes zu. Der lockere Mischwald spielt mit Sonne und Schatten in meinem Gesicht und lässt die wechselnde Lichtintensität auf meiner Sonnenbrille einen Reigen tanzen. Wenn ich meine Füsse über die ausgeprägten Wurzeln einer Tanne hebe, verdunkelt sich das Tageslicht unter den Aesten zu einer mystischen Märchenstimmung.

Foto by Genotec.chEine wohltuende Stille liegt über der prächtigen Landschaft des Jura-Voralpen-gebietes. Keine Industrie entlässt ihr energiegeladenes Summen in die Umgebung. Keine Autobahn stört mit einem entfernten Brummen die Hörnerven und da gerade Sonntag ist tönen auch keine Motorsägen über die Hügel des Jura. Wunderbar wohltuend empfinde ich die durch Naturgeräusche untermahlte Stille der weiten Wälder. Hier ein leises Knacken im Gebüsch, da das Rascheln einer Amsel auf dem laubbedeckten Waldboden. In den Bäumen das lebensfrohe zwitschern allerlei Vogelarten. Ihre Lieder sind zwar klar zu unterscheiden und erfreuen die zuhörende Seele, aber leider kann ich die Arten nicht auseinanderhalten. Ist aber nicht weiter schlimm und mindert den innerlich wachsenden Frieden nicht. In den Tannen das typisch feine Klettergeräusch eines Eichhörnchens, von weitem der scheue Ruf eines Rehkitzes und das entfernte Stampfen eines Wildschweins. Diese Stille des Waldes breitet sich immer weiter in mir aus, erfüllt mein Wesen mit Ehrfurcht und Dankbarkeit. Es ist als erführe ich einen tief meditativen Zustand. Keine bessere Erholung ist für den Menschen möglich um sich für den “grauen Alltag“ einer weiteren Arbeitswoche zu rüsten, als die Stille des Waldes.

Doch jeder noch so schöne Weg ist einmal zu Ende und ich trete plötzlich auf eine Waldlichtung, hinter mir der geheimnisvolle, moosverwachsene und von bizarren Wurzeln durchsetzte Waldweg. Auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung weitet sich der bisher schmale Wanderweg zu einer befahrbaren Weite. Traktorspuren haben sich in den weichen Boden eingeprägt. Doch auch diese naturbelassene Waldstrasse ist angenehm zu begehen. Andächtig still schreite ich weiter zwischen Bäumen, Büschen und Gestrüpp, leise Schritt für Schritt. 

Kalek, kalik, tägedi, tike, klack und Dagetleck: „Achtung, Eisstelle, musst Aussen rum,“ schreit es plötzlich gellend durch den Wald. Kläng, kleng: „Hab`s gesehen, halooo ihr da hinten, aufgepasst Eisstelle, müsst Aussen rum.“ Diese Stimme gellt noch lauter zwischen den mächtigen Baumstämmen als die erstere. Es ist dahin mit der Waldesruh. Das Reh welches weiter vorne gerade den Weg überqueren wollte reisst panikartig seinen Kopf herum und flüchtet in weiten halsbrecherischen Sprüngen dahin zurück wo es hergekommen ist. Die Vögel zirpen einander laute Warnrufe zu, diesmal spielt die Art oder Verwandtschaft keine Rolle, alle haben sich sofort verstanden, höchste Gefahr. Das Eichhörnchen in der Tanne hat es noch selten so schnell auf die oberste Spitze geschafft und das gemütliche Stampfen des Wildschweins wird zu einem walzenartigen Gedröhn das sich rasch entfernt. Dann halten sich alle Waldbewohner totenstill, kein Vogel ist mehr zu hören. Nur ein Eichelhäher saust noch mit einem letzten,  intensiv krächzendem Warnlaut zwischen den hohen Tannenstämmen dahin, weg ins dichte Unterholz.

Foto by Alfredo Pietro 08Klickerdikläck, tiggerti tack: „Haben es auch gesehen, ist ja nicht das erste Mal, so`n Quatsch, so kann man nicht richtig ausschreiten, Mann oh Mann jetzt bin ich fast ausgerutscht.“ Diese Stimme tönt beinah hysterisch. Kli Klicker, klacker di kläcker: „ Weiter oben soll es wieder besser werden, dann geht’s wieder ab die Post,“ schreit eine weitere Stimme, sie scheint zu einer Frau zu gehören. 

Die Tiere ducken sich tiefer ins Unterholz und ich versuche mich vom Schreck zu fassen der mich durchfahren hat. Darauf war ich in meiner innerlichen Stimmung nicht vorbereitet, bin beinahe fassungslos. Eine böse Bemerkung will sich von meinen Lippen stehlen aber ich drücke meinen Zeigefinger drauf, hat vermutlich eh keinen Sinn und Verständnis ist sicherlich nicht zu erwarten. Die laut rufenden und schwatzenden Nordic Walkers und Innen grüssen nicht mal. Der einzige Lebens-zweck  dieser Spezies scheinen die Kilometer unter ihren Füssen zu sein. Alle Tannen scheinen sich zurückzubiegen, sind wohl so erschrocken wie ich. Vielleicht ist es aber nur der Wind der sie leicht von den lärmenden Erdmenschen wegzieht. Er trägt dafür die Geräusche weit in den Wald hinein und warnt alle Waldbewohner „Achtungsssscht, eine Hordeschsch wildschsssgewordschener Menschssssen.“ 

Kleng kling, klackerdi: „ Au verdammt, jetzt bin ich am Wegrand doch glatt auf einen Maulwurfshügel getreten, so n`Scheiss, die Schuhprofile sind ganz mit Dreck gefüllt.“ Die Stimme tönt etwas weinerlich, jedoch nicht minder laut als die andern. Klackerdi klicker, die ebenso laute Antwort lässt nicht auf sich warten: „ Es hat ohnehin zu viele in dieser Gegend, bei uns wurden sie auf den Feldern vergast, die unnützen Fiecher nagen nur überall die Wurzeln an. Viele Apfelbäume sind bei uns schon ganz rötlich geworden weil sie gar kein Wasser mehr aufnehmen können.“ Ich entnehme daraus nur grausames Unwissen und Ignoranz. Dieser an Stöcken gebundene, laut hastende Mensch scheint nicht zu wissen, dass Maulwürfe keine Schädlinge sind und auf einen Maulwurf etwa 30 Maulwurfshügel kommen und nicht 30 Maulwürfe auf einen Hügel. Ausserdem verwechselt er in sträflicher Weise Maulwürfe mit Mäusen denn diese versuchte man tatsächlich schon mal zu vergasen. Möchte diese Ungerechtigkeit an unschuldigen Maulwürfen laut herausschreien, schaffe es jedoch gerade noch mich zurück zu halten. Seit wann ist der Feuerbrand an den Apfelbäumen den Nagern zuzuschreiben, die Wurzeln von Dummheit und Schwatzbereitschaft scheinen keine Grenzen zu kennen. 

Ich bin inzwischen innerlich ausser mir und lächle äusserlich als hätte ich in einen sauren Apfel gebissen, aber ich lächle trotzdem, die Chinesen lächeln auch immer. Die Nordic Walkers sind trotz ihrer klackernden Stöcken nicht viel schneller als meine stille Wenigkeit, muss also noch manches aushalten. Lärmend, Nichtigkeit schwatzend, rufend, keuchend und laut Klickerklackend ziehen sie zäh an mir vorbei. Sensationell, einer hat mich tatsächlich als gewöhnlicher Wanderer erkannt und schafft es zwischen zwei energischen Stockaufschlägen auf den gefrorenen Boden, mich zu grüssen. Drei der Gruppe sehen mich mitleidig an, eine Frau etwas verächtlich als wollte sie sagen, das kann doch kein Mann sein. Was ich wohl verbrochen habe? Ich komm beim besten Willen nicht drauf, wage es aber nicht zu fragen. Die andern sehen mich vermutlich gar nicht denn sie sehen krampfhaft auf den Boden als sähen sie die aktuelle Zahl all ihrer tapfer zurückgelegten Zentimeter permanent aufblinken.

Foto by Alfredo Pietro 08Ich drossle mein Tempo, will ihnen nicht die Illusion der Geschwindigkeit stehlen und ganz bestimmt niemanden provozieren. Ausserdem scheine ich bei den vorbei Marschierenden Walkingern (tönt irgendwie nach Wickinger) eine Verwirrung zur Tacktgebung ihrer Stockaufschläge zu verursachen da sie auf mich aufpassen müssen. Will aber nicht der Anlass sein, falls sie über ihre eigenen Stöcke stolpern Ausserdem scheine ich einem dieser sonderbaren Spezies den Weg tatsächlich zu behindern denn wir sind nun alle auf der Höhe des eisdurchsetzten Waldweges der vorgängig bereits vorgewarnt wurde, sie erinnern sich an die ersten Schreie? Welch eine Demütigung durch einen Homo sapiens wanderus ordinarius ihn beim Ausweichmanöver nochmals auf die Eisfläche zu zwingen. Insgeheim warte ich auf seinen Fall, wie gemein ich doch sein kann, Abgründe meiner selbst tun sich auf. Er schaut mich böse an als hätten gewöhnliche Wanderer gar keine Berechtigung die Wege der Nordic Walkers zu kreuzen, was für ein Kreuz er doch zu tragen hat. Dann aber gewinnen sie endlich alle zusammen Abstand zu mir, dem offensichtlichen Langweiler, Sonntagsspaziergänger der von den Vorzügen der Stöcke keine Ahnung zu haben scheint, offenbar ein armer Einheimischer.

Foto by Alfredo Pietro 08Der stampfende, keuchende, klickerdiklackende Lärm der Geschwindigkeit und die  vereinsmässigen Schwatzlaute werden leiser und leiser. Schon beginne ich wieder meine eigenen leisen, gleichmässigen Schritte zu vernehmen, eine offensichtliche Wohltat. Die Stille des Waldes hat mich wieder gefunden, oder ich sie. Von den vorherigen Geräusche der Waldbewohner, die die Stille bereichern und irgendwie greifbar machen, ist jedoch noch lange nichts zu hören. Nur weit, weit weg krächzt ein Eichelhäher im Sauseflug zwischen den hohen Baumstämmen.

Alferdo Pietro Februar 08